„Wenn Kinder Sprache lernen, dann befassen sie sich nicht lediglich mit einer Art des Lernens unter vielen anderen; vielmehr lernen sie die Grundlage des Lernens selbst“

M. A. K. Halliday (1993)

Sprache und schulisches Lernen

Im Kontext schulischer Lernprozesse ist die Sprache das wichtigste Werkzeug, das den Schüler*innen zur Verfügung steht und die Institution Schule stellt schon früh hohe sprachliche Anforderungen an die Lernenden: Bereits zu Beginn der Sekundarstufe wird die Beherrschung von sogenannten bildungssprachlichen Praktiken wie bspw. dem Erklären, Erörtern oder Begründen vorausgesetzt, die jedoch die Fähigkeit zu abstrahierendem Denken sowie die Verwendung von spezifischen sprachlichen Strukturen (z.B. Passivkonstruktionen oder unpersönliche Sprechweisen) verlangen (Feilke 2012). Der Umstand, dass viele Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer sprachlichen und/oder familialen Sozialisation zu Beginn ihrer Schullaufbahn jedoch nicht mit diesen Formen schriftsprachlich geprägten Handelns vertraut sind, sodass gleichzeitig mit den fachlichen auch sprachliche Kompetenzen erworben bzw. vermittelt werden müssen, wird dabei oftmals unterschätzt oder vergessen (Chng et al. 2014).

An diesem Punkt setzt das von J. Leisen entwickelte Konzept des Sprachsensiblen Fachunterrichts an: Dieses basiert auf der Einbindung sprachdidaktischer Methodenwerkzeuge (wie bspw. den sogenannten scaffolds) in den Fachunterricht und ermöglicht somit eine simultane Vermittlung von sprachlichen und fachlichen Inhalten. So kann einerseits vermieden werden, dass Lehrkräfte die unzureichende Beherrschung schulischer Sprachgebrauchsweisen fälschlicherweise mit mangelnden kognitiven Fähigkeiten assoziieren, andererseits wird so allen Schüler:innen unabhängig von ihrer sprachlichen und/oder sozialen Herkunft die Teilhabe an schulischem Lernen ermöglicht.
Die Curricula und Kompetenzmodelle insbesondere der naturwissenschaftlichen Schulfächer greifen die Prinzipien und Methoden des sprachsensiblen (auch als sprachbewusst oder sprachfördernd bezeichneten) Fachunterrichts bereits immer häufiger auf und auch in der fachdidaktischen Forschung vieler Schulfächer gewinnt der Themenkomplex Sprache zunehmend an Bedeutung.

… und das Schulfach Musik?

Ein Blick in den Forschungsstand der künstlerisch-ästhetischen Fächer zeigt, dass diese der Herausforderung einer sprachbewussten Unterrichtsentwicklung und -gestaltung bislang nur in Ansätzen begegnen (vgl. Michalak 2017). Die in den Prüfungsanforderungen für das Abitur geforderten Kompetenzen im Bereich Musik erschließen verlangen jedoch von den Schüler*innen, „gestaltbildende Merkmale der Musik zu erkennen, zu beschreiben, zu analysieren, zu interpretieren, deren Wirkung und Bedeutung zu beschreiben und reflektierend zu beurteilen” (KMK 2005). Dies setzt insbesondere die Beherrschung diskursiver Kompetenzen voraus, da der Gesprächsgegenstand Musik immer subjektiv wahrgenommen wird und durch Sprache zugänglich gemacht werden muss (Brandstätter 2004). (Bildungs-)sprachliche Praktiken wie bspw. bewerten, erklären, vergleichen und begründen stellen für die Partizipation an der unterrichtlichen Kommunikation (auch) im Fach Musik und die Aneignung fachlicher Inhalte somit eine unverzichtbare Schlüsselkompetenz dar (Morek & Heller 2015). Bei der Vermittlung von musikbezogenen Kommunikationskompetenzen muss von Seiten der Lehrkräfte zudem die Besonderheit beachtet werden, dass emotional-ästhetische Werturteile und narrative Zugänge hier ebenso Berücksichtigung finden müssen, wie fachlich-deskriptive Äußerungen.

Trotz vorliegender empirischer Belege zu sprachlichen Diversitäten in deutschen Schulklassen (Ahlers & Seifert 2015; Biegholdt 2014) und Ansätzen zur Vermittlung von ästhetischen Argumentations- und Diskursfähigkeiten (z.B. Rolle 2013) fehlen bislang empirische Arbeiten, die sowohl fachliche als auch sprachliche Aspekte sowie deren Interdependenz beim musikbezogenen Sprechen in den Blick nehmen.

Die Dissertation von Theresa Meyer trägt dazu bei, vorhandene Forschungsdesiderate in diesem Themenkomplex zu bearbeiten. Die Arbeit ist erhältlich beim Lit Verlag.

Sie haben Interesse an einem Austausch oder möchten sich weiter zum Thema Sprachsensibler Musikunterricht informieren?
Dann nehmen Sie gerne Kontakt auf!

Literatur

Ahlers, M. & Seifert, A. (2015). Sprachliche Heterogenität im Musikunterricht. In A. Niessen & J. Knigge (Hrsg.), Theoretische Rahmung und Theoriebildung in der musikpädagogischen Forschung (Musikpädagogische Forschung, Bd. 36, S. 235-249). Münster: Waxmann.

Biegholdt, G. (2014). Theorie und Praxis der Lerngruppensprache im Musikunterricht. Potsdam: Universität Potsdam.

Brandstätter, U. (2004). Musikalische Erfahrung und Sprache. Über Schwierigkeiten und Besonderheiten des Sprechens über Musik. In G. Mattenklott & C. Rora (Hrsg.), Ästhetische Erfahrung in der Kindheit (S. 147-156). Weinheim: Juventa.

Chng, G. S., Wild, E., Hollmann, J. & Otterpohl, N. (2014). Children’s evaluative skills in informal reasoning: The role of parenting practices and communication patterns. Learning, Culture and Social Interaction, 3(2), 88-97.

Feilke, H. (2012). Bildungssprachliche Kompetenzen – fördern und entwickeln. Praxis Deutsch 39(233), 4-13.

KMK (2005). Beschlüsse der Kultusministerkonferenz: Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Musik. Verfügbar unter: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/1989/1989_12_01-EPA-Musik.pdf.

Michalak, M. (2017). Sprache als Lernmedium im Fachunterricht. Theorien und Modelle für das sprachbewusste Lehren und Lernen. Baltmannsweiler: Schneider.

Morek, M. & Heller, V. (2015). Unterrichtsgespräche als Erwerbskontext: Kommunikative Gelegenheiten für bildungssprachliche Praktiken erkennen und nutzen, Erwerb und die Förderung bildungssprachlicher Fähigkeiten in pädagogischen Einrichtungen. Pädagogische Hochschule FHNW, Zentrum Lesen, Basel.

Rolle, C. (2013). Argumentation Skills in the Music Classroom: A Quest for Theory. In A. de Vugt & I. Malmberg (Hrsg.), Artistry (European Perspectives in Music Education, Bd. 2, S. 137-150). Innsbruck: Helbling.